Geschäftsmethoden

Unsere Reisegruppe steht vor der größten Pyramide der Welt. Die haben die Vorfahren unseres Reiseführers aus Kairo gebaut. Während wir uns die Beine in den Bauch stehen, nähert sich mir ein Junge mit einem verlockenden Angebot, einmal um die Pyramide reiten. Einer muss ihm gesteckt haben, dass ich gerne reite. Für zwei Dollar um die Cheops Pyramide!

Kaum sitze ich auf, kommt ein Mann mit weiteren zwei Pferden auf mich zu. Er deutet an, die Pferde des Jungen seien schwach und würden hinter der Pyramide gleich umfallen. Seine seien hingegen kerngesund. Ich ahne, was kommt. Mir ist es aber egal, was der Ritt kostet. Ich frage ihn, was das gesunde Pferd von mir haben will. So etwa 12 Dollar.

Ich sitze ab und erneut auf. Los geht es. Wir düsen über die Wüste, bis wir hinter der Pyramide halten. Der Ägypter deutet an, er will ein Foto von mir und der Pyramide machen. Danach hält er die Hand auf. Ich soll gleich alles bezahlen.

Ich deute an, dass ich erst am Ende des Rittes bezahlen will. Der Mann aber macht unmissverständlich deutlich, dass die 12 Dollar nur bis hierher gelten. Wenn ich nicht zu Fuss durch die Wüste tapern will, muss ich jetzt bezahlen und noch einmal 12 Dollar bei Ankunft. Wir einigen uns auf insgesamt 20 Dollar.

Bei der Ankunft erfahre ich von einem Mitreisenden, er hätte einen Kamelritt angefangen, und man hätte ihm auch gesagt, er kann ja absteigen. Von einem Kamel runterspringen fällt allerdings heftiger aus. So hatte er auch bezahlt.

Wir gehen zu unserem Reiseführer und bitten ihn, die Polizei zu kontaktieren, weil wir betrogen worden sind. Der Mann taucht plötzlich ab.

Ich lasse nach der Reise nicht locker und beschwere mich beim Veranstalter. Dieser meint, mir hätte das alles erspart geblieben, hätte ich eine Kulturreise gebucht. Dafür gäbe es einen deutschen Reiseleiter. Aber so … Ich hatte tatsächlich eine Reise zu ägyptischen Kulturgütern gebucht, Das ist keine Kulturreise, sondern eine zu der aktuellen Kultur Ägyptens.

Sydney, Downtown. Die Stadt meiner Wasserträume. Man kann hier mitten in der Stadt heftig segeln. Die heißesten Segler, die 18footer, sind hier zu Hause. Der 49er ist noch nicht erfunden. Aber man kann auf dem Ozean segeln, gleich um die Ecke. Und tauchen in fast tropischen Gewässern. Hier in Botany Bay hat Captain Cook Terra Australis zum ersten Mal betreten. Hier war Captain Bligh, sein Segelmeister und späterer Kapitän der Bounty, Gouverneur.

Doch mir ist  nach Profanerem zumute. Ich will einen Bumerang kaufen. Man sagt mir, ich soll den Laden von Duncan MacLennan besuchen. Er hätte bei den Aborigine gelebt und würde die besten Bumerangs anbieten. Muss mal sehen.

Ich suche den Laden auf, auf dessen Schild DUNCAN MacLENNANNS Boomerang School zu lesen ist. Im Schaufenster liegen neben den Flugobjekten noch etliche Didgeridoos, die traditionellen Musikinstrumente der Ureinwohner. Also nix wie rein.

Mich empfängt ein Mann mit stählernen Augen. G'day, sagt er. Das heißt Guten Tag. Wenn einer aber G'day, mate! sagt, muss man das Weite suchen. Denn  das bedeutet, verschwinde oder du bist gewesen. Na, ja, ich werde schon gut empfangen. Dazu muss man wissen, dass viele seiner Bumerangs von Joe Timbery gemacht wurden, der sogar von der britischen Queen empfangen worden war, die sich in die Kunst des Bumerangwerfens hat einweihen lassen.

Ich wähne mich in einem Touristenladen und sage geradeaus, was ich will. Ich will einen Bumerang kaufen. Da wird der Mann ernst und erklärt, man könne nicht so einfach ein solches Ding kaufen. Ob ich den kommenden Sonntag noch in der Stadt wäre? Ich müsste seine Sydney Boomerang School besuchen. Dauert nicht lange, nur den Vormittag. Ich muss nur nach Woolloomooloo in einen Park kommen.

Die Schule, die ich absolviere, hat Duncan in den 1960ern gegründet. Ihm ist es eine Ehre, uns in die Kunst einzuweihen. Es finden sich sieben Willige, denen Duncan erklärt, dass man, will man etwas garantiert nicht treffen, genau darauf zielen muss. Praktisch führt er die Sache vor, indem er auf ein am Park abgestelltes Auto zielt. Daneben! Er will wissen, ob wir begriffen haben. Wir sollen mit dem Bumerang auf ihn zielen.

Kein einziger traut sich. Duncan hat trotzdem Verständnis und erlaub uns, ein Objekt zu erwerben. Aber erst nachdem wir gezeigt haben, dass wir rechts, links und beidhändig zwei Bumerangs beherrschen.

 

Ein Schulkamerad ist auch ein Mensch

Ein Schulkamerad lädt die ganze Klasse in das elterliche Haus ein. Man würde so etwas besser als Anwesen bezeichnen. Sein Zimmer beeindruckt selbst Mitschüler, die morgens von einem livrierten Chauffeur in die Schule gefahren werden. Die Einrichtung ist teurer als mein Elternhaus. Kein Wunder, der Kamerad ist einziger Sohn des drittreichsten Mann des Landes.

Doch etwas stört uns. Er behandelt seine feine Oma herablassend. Einer nach dem anderen erfindet einen Grund, um schnell zu verschwinden. In dem folgenden achten Schuljahr ist der Kamerad selbst verschwunden. Der Direktor hatte den Vater eingeladen, um ihm zu eröffnen, dass der Filius es an seiner Schule nicht zum Abi schaffen wird. Der Vater war zunächst empört ob der Frechheit, in der siebten Klasse ein Versagen im Abi zu prophezeien. Aber der Direktor überzeugt ihn.

Der ehemalige Schulkamerad darf den Salemer Geist am Bodensee genießen zusammen mit Jungen aus ca. 45 Ländern im Schloss Salem. Als ich mit 33 Jahren einem Unternehmer seinen Namen erwähne, fällt dieser in eine halbe Ohnmacht. Er erzählt, bei diesem Herrn bräuchte es ein Vierteljahr, bis man einen kleinen Termin bekommt. Der Kamerad hatte ein riesiges Firmenkonglomerat geerbt.

Wie das Glück so will, zieht er eines Tages an meinen ehemaligen Wohnort, wo die reichsten aber auch vermutlich ärmsten Leute hausen. Die einen residieren, die anderen hausen buchstäblich paar hundert Meter weiter. Für den Kameraden wird es das letzte hoch-herrschaftliche Haus sein. Mit ca. 60 Jahren hat er fertig. Ihm ist eine Großtat gelungen … Er hat ein riesiges Vermögen durchgebracht und ist buchstäblich bankrott.

Mein Schulkamerad steht mit 11 Jahren in einem Friseurladen mit weniger als vier qm. Er ist der junge aus der Erzählung mit den Lehrerinnen. In den Laden passt der Friseurstuhl und ein weiterer keiner Hocker. Wenn zwei Kunden kommen, muss einer vor der Tür warten.

Der Kamerad ernährt mit seiner Hände Kunst zuerst die Eltern und seine drei Geschwister. Als die Geschwister erwachsen sind und die Eltern auf dem nahen Friedhof ruhen, sorgt er nur noch für seine Frau und die eigenen Kinder.

Unser Ort wächst und gedeiht. Nach und nach verschwinden praktisch alle Läden. Der Ort verwandelt sich in einen Touristenmagnet. In dem einst so ruhigen Ort wohnt jetzt der reichste Mann des Landes. Und der Schulkamerad von der linken Spalte.

Wohlstand für die meisten. Nur nicht für den Kameraden. Denn in seinen kleinen Laden verirrt sich kein Tourist. Zudem ist unser Ort jetzt Ausgehmeile, und man geht zu solchen Orten fein frisiert. Die Kundschaft stirbt langsam aus oder zieht in ruhigere Gegenden.

Als mein Kamerad mit 75 seinen Laden zum letzten Mal abschließt, hat er 64 Jahre Arbeit auf weniger als 4 qm hinter sich, mit der er insgesamt neun Menschen durchs Leben gebracht hat.

Lehrerin und Lehrerin

Meine Grundschullehrerin denkt sich eine Methode aus, wie Schüler Schüler unterrichten können. Die Klasse wird in sechs Gruppen a sechs Kinder aufgeteilt. Ein Kind aus jeder Gruppe spielt den Leiter. Die Lehrerin unterrichtet diese sechs und sie sollen den restlichen fünf die Weisheit vermitteln. Zudem ist jeder Gruppenleiter für ein Fach verantwortlich. Alle können diesen fragen. Mein Fach ist Mathe.

Was Eltern wie die sonstige Lehrerschaft davon halten, spottet jeder Beschreibung. Der noch mildeste Kommentar lautet: "Die Alte hat keine Lust, selber zu arbeiten. Dann soll sie gleich in Pension gehen."

Mit 33 bei einer Militärübung für Fernmeldeoffiziere treffe ich zwei aus der damaligen Klasse wieder. Wir alle drei hatten es zum Diplomingenieur gebracht, über die Hälfte der Klasse zum Akademiker oder Akademikerin. Dabei betrug die Wahrscheinlichkeit, dass einer von uns auf die Uni schafft, zu unserer Kindheit ca. 1%.

Doch bei mir war der Weg zum Diplom mit Dornen gesät, ausgerechnet in Mathe. Denn bei der Abschlussprüfung des Grundschule kommt eine Lehrerin als Beisitzerin und der Schuldirektor, der ein Mathematiker ist. Dieser stellt mir drei Fragen, die ich allesamt wohl falsch beantworte. Er schmeisst mich raus.

Vor der Tür des Prüfungsraums stehend höre ich Gebrüll darin. Meine sanfte Lehrerin wird sehr laut. Ich verzieh mich nach Hause. Das Schuljahr ist wohl futsch.

Doch eine Woche später bekomme ich meine Note: "Sehr gut". Wie dies passieren konnte, beschäftigt mich bis zum Uni-Abschluss. Ich habe Angst vor Mathe. Bis ich zufällig die besagte Beisitzerin bei Nachbarn treffe. Sie erzählt, die hätte einen Anteil daran, dass ich es bis zum Doktor gebracht hätte. Ob ich mich an die Prüfung erinnere? Und ob. Diese Dame hatte als Vertretung bei uns in der Klasse die Kinder in Mathe gefragt. Als diese manche falschen Antworten gaben, hatte sie gefragt, wo sie denn das her hatten.

Um dem Direktor zu demonstrieren, wie falsch die Methode meiner Lehrerin war, hat sie genau meine Prüfung abgewartet. Eine Abrechnung zu Lasten eines Schülers.

Und dafür wollte diese Dame noch gelobt werden.

Als wir 11 Jahre alt sind, passiert am Ort Schreckliches. Einem Friseur müssen die Ärzte das zweite Bein amputieren. Bereits beim ersten Mal hatten die Nachbarn mit ihm geschimpft, denn auch das war ein Raucherbein.

Wenn man Leute fragt, welche Gliedmaßen für den Erfolg als Friseur maßgeblich sind, wird jeder auf die Hände tippen. Doch ein Friseur ohne Beine ist trotz fähiger Hände nichts wert. So muss mein Schulkamerad mit 11 Jahren antreten, die Familie zu ernähren. Gut gesagt, er hat noch ein Jahr Schule vor sich, bevor er einen Abschluss macht. Erst danach darf er mit der Friseurlehre anfangen. Bis dahin wären aber Vater, Mutter und drei kleine Geschwister verhungert.

Seine Klassenlehrerin ist eine böse guckende Frau, vor der man richtig Angst hat. Woher das kommt, kann niemand erklären. Es ist eben so. Diese furchterregende Dame lässt sich was einfallen. Mein Schulkamerad steht fortan im Friseurladen und im Klassenbuch zugleich. Und niemand am Ort merkt es.

Auch unser Direktor nicht, der als Mathematiker bestimmt zwei und zwei zusammen zählen kann. Wie die beiden, Lehrerin und Direktor, es später geschafft haben, dass der Jüngling die Abschlussprüfung besteht, will niemand wissen.

Von nun an steht unser Schulkamerad tagaus tagein in dem winzigen Laden angeleitet von seinem beinlosen Vater. Die Vermieterin des Ladens ist übrigens die böse Lehrerin von der schwarzen Spalte links. Als sie stirbt, trägt sie ihrem Erben auf, dem Friseur nicht zu kündigen.

Drei ehrfurchterrregende Menschen …

Día de los Muertos

Kommilitone K ist ein unglaublicher Spaßvogel. Er sprüht voll Witz und Humor. kaum zu glauben, dass er nur ein Jahr zuvor eine tödliche Mission kaltblütig ausgeführt hat, deren Planung zwei Jahre gedauert hatte.  Er war mit drei Kumpels über die Ostsee nach Gedser gepaddelt. Damit waren die vier etwa die ersten der etwa insgesamt 50 Personen, die Republikflucht über diesen Weg begangen. Die Sache war so spektakulär, dass Der Stern die Story für 3.000 DM gekauft hatte, mehr als ein Jahreseinkommen eines Studenten.

Von den vermutlich über 500 Menschen, die diese Fahrt nicht überlebt haben und in der Kälte der Ostsee still verschwunden sind, berichtet keine Illustrierte und auch keine Chronik. Man kann nur über Mauertote lesen.

Es ist Weihnachten, doch der Kommilitone sieht nicht allzu fröhlich aus. Ich frage einen der Mitstreiter, der auch in meinem Studentenheim wohnt, was mit dem los sei. Dieser setzt ein trauriges Gesicht auf und bittet mich um Diskretion. Unser Freund hat von einem Arzt, den er wegen einer Kleinigkeit aufgesucht hatte, die frohe Kunde bekommen, er werde Ostern nicht mehr erleben. Ich sollte nunmehr der zweite Sterbebegleiter werden, ohne dass unser Kommilitone es merkt. Denn er will sich nicht aufgeben. Wir beide sind gerade mal 25.

Im neuen Jahr tue ich so, als wäre der Kommilitone immer noch der Spaßvogel, allerdings einer mit einem Wehwehchen. Er macht mit, geht auf Parties, will beim Tanzen neue Mädchen kennenlernen und hebt sein Glas öfter auf ein gesundes langes Leben. Heimlich besucht er Ärzte, die an ihm rumoperieren. Danach ist er eine Woche unansprechbar. Leute beschweren sich über seine geistige Abwesenheit.

Dann besteht er darauf, dass wir den grausigsten Film von Ingmar Bergmann sehen Die Stunde des Wolfs. Nach der Message des Films ist "Die kritischste Stunde des Lebens sei die „Stunde des Wolfs“, in der die meisten Menschen geboren werden, aber auch sterben." Nach diesem Tag zu Ende des Februars bleibt sein Zimmer im Stundenheim leer.

Ostern kommen die Eltern und räumen seine Bude.

Mein Freund M besitzt eine ansteckende Fröhlichkeit seit der ersten Klasse in der Schule, die wir zusammen besucht haben. Seine Eltern sind sehr angesehene Nachbarn. Nach der Grundschule trennen sich unsere schulischen Wege. Schwimmen und Segeln tun wir aber öfter zusammen.

Jahre später erzählt er mir, dass er in Wien studieren wolle. Na, ja. Ganz auf meinem Wege nach Berlin liegt Wien nicht gerade. Aber in meinem Auto ist noch ein Platz frei. Es ist seine erste Auslandsreise. Wir zelebrieren die Fahrt durch viele Länder, die ihm so einige Wunder bieten.

In Wien feiern wir erst einmal ausgiebig. Er findet schnell Anschluss. Leider erweist sich der schönste Anschluss, die Kellnerin der Studentenkneipe Mickey, nicht als sehr nachhaltig. Sie ist eine wunderschöne Wienerin, und echt mit Schmäh! Mickey verabredet sich mit allen Männern, die ihr zu Füßen liegen, lässt sich aber nie sehen. Trotzdem, alle lieben Mickey.

Doch meinen Freund hält nichts in Wien. Nach dem Studium kehrt er zurück. Er wird Anführer einer Bande lustiger Vögel, die nachts an unserer Marina viele Flaschen köpfen. Eigentlich ist das dort verboten, weil die Marina Teil des Komplexes einer Moschee ist. Aber Gott drückt ein Auge zu, und die Polizei geht lohnenderen Missetaten nach.

Eines Abends kehrt er nach der Arbeit zurück. Er lädt die ganze Baggage zum Essen ein. Ist der denn verrückt geworden, denken viele. Nein, verrückt ist er nicht. Er verrät den Freunden,  dass er kein Geld mehr brauche. Denn er kommt gerade vom einem Arzt, der ihm eröffnet hat, dass sein Leben nur noch wenige Wochen alt werden wird.

Zwei Monate später tragen ihn einige Hundert Bekannte und Freunde zu unserem Friedhof mit einer großartigen Aussicht zum Meer. Kaum einer will aber glauben, dass er wirklich tot ist.

Für mich lebt er durch die Art, in der er den Tod empfangen hat.

No tips please

Wer viel reist, hat ein großes Problem. Wieviel Trinkgeld gibt man? In manchen Ländern besser gar keins. Selbst das Angebot wird für eine Beleidigung gehalten. In Deutschland ist ein moderates Trinkgeld üblich, aber nicht mehr das Aufrunden auf die volle DM-Summe. Am schlimmsten ist es in den USA. Wer mit einem kleinen Geldbeutel reist, sollte besser in der Frittenranch essen. Anderswo kommen auf den angegebenen Preis auf der Speisekarte irgendwelche taxes drauf. Dann muss der Kunde noch mindestens 20% drauflegen. Heißt zwar tip wie Trinkgeld, ist aber keineswegs freiwillig.

Wir feiern Oktoberfest. Nicht in München, sondern auf einer der Florida Keys, die sich wie eine Perle Richtung Karibik aufreihen. Die Stimmung ist ebenso großartig wie die tropische Nacht. Am Ende ist meine Stimmung etwas bedrückt. Denn die Kasse nimmt meine Kreditkarte nicht an.

Kein Problem. Ich zähle meine Scheinchen zusammen. Und es reicht. Nur nicht ganz für das Trinkgeld. Es sind nur noch fünf Dollarscheine übrig. Den Kellner packt die Wut und pfeffert die Scheine auf den Boden. Er will sie nicht haben. So billig lässt er sich nicht abspeisen.

Nicht das erste Mal, dass mir in den USA jemand mein Geld wütend vor die Füße wirft …

Wer viel reist, hat ein großes Problem. Wieviel Trinkgeld gibt man? Ich entscheide mich für großzügig – und gebe ein ganzes Euro! Wow – da wird eine Bedienung aber in die Luft gehen?

Die Szene spielt sich auf einer Insel vor Madagaskar ab. Das ist ein Land, in dem das mittlere Jahreseinkommen bei ca. 300 $ liegt. Ein Kellner verdient dann noch weniger. So ähnlich sind die Preise in dem Restaurant. Zu meinem bestellten lobster, Languste auf Deutsch, serviert man eineinhalb Languste. So viel, dass ich die Menge kaum schaffe. Mit zwei Bier zusammen muss ich 8 Euro zahlen.

Daher meine Großzügigkeit mit dem ein Euro Trinkgeld. Die Bedienung nimmt das Geld etwas vorsichtig an und verschwindet damit in der Küche. Nach einer Weile kommt sie zurück und gibt mir das Geld zurück. Sie meint, ich müsste mich vertan haben mit dem Trinkgeld.

Ich bin baff. Bis heute …

Vertrag ist Vertrag

Berlin, November 1989. Der Eiserne Vorgang ist vor paar Tagen verschwunden.

Ein Freund von mir freut sich rasend, dass die Berliner Mauer weg ist. Drei Tage nach dem Mauerfall macht er sich mit drei Freunden auf den Weg nach Ost-Berlin. Dort essen sie in einem kleinen Lokal jeweils einen Teller Spagetti und trinken ein Glas Rotwein dazu.

Der Ober präsentiert am Ende die Rechnung über stolze 510,20 DM. Die Vier fallen beinahe vom Hocker. Es muss ein Irrtum vorliegen. Oder ein Rechenfehler?

Doch der Wirt belehrt sie eines Besseren. Er fragt die Vier, ob sie die Speisekarte gelesen hätten. Seine Preise stünden allesamt darauf. Tatsache! Der Gastronom hatte schnell die Grundzüge des Kapitalismus studiert. Danach besteht Vertragsfreiheit.  Er kann jeden Preis verlangen, aber niemand muss den bezahlen, außer …

Mein Freund zahlt die 510,20 DM.

Hawaii, Insel Molokai. Wir sind zum Reiten hier, aber der Reitstall ist pleite. Ich vertröste meine Töchter mit anderen Vergnügungen. Aber Njet, die Damen wollen reiten.

Wir fahren suchend über die Insel und finden tatsächlich etwas, was man auf Hawaii nie vermuten würde. Eine Rodeo-Arena. Die Betreiber würde auch niemand auf Hawaii vermuten, spanische Bauern.

Als ich einen frage, was man für eine Reitstunde bezahlen muss, sagt dieser „Sir, hier können Sie kein Pferd mieten.“ Ich drehe mich um und will weiterfahren. Da fragt der Spanier, warum ich denn ein Pferd leihen will. Ich zeige auf die Töchter.

Der Spanier sagt: „Oh, das ist etwas Anderes. Können die reiten?“ Er will sehen, ob die Damen wirklich reiten können.  Sie düsen die Arena auf und ab. Sie können also. Mir ist aber sehr blümerant, weil ich nicht gefragt habe, was der Spaß kostet.

Nach zwei Stunden sind die Töchter alle, die Pferde auch. Ich will bezahlen. Der Mann sagt lapidar „Sir, hier können Sie kein Pferd mieten.“ Er gibt mir eine große Melone, damit die Töchter ihren Durst stillen können.

Beim Abschied sage ich, ich würde am nächsten Tag wieder kommen, aber diesmal wirklich bezahlen. Der Spanier erscheint am nächsten Tag mit zwei neuen Pferden. Diesmal dürfen die Töchter sogar in der Landschaft reiten. Nach zwei Stunden greife ich in die Tasche. Der Spanier sagt „Sir, ich habe doch gesagt, Sie können hier kein Pferd mieten.

Diesmal gibt es keine Melone, nur Papaya.

Der Gast ist König

Hamburg, Frühjahr 1964. Ich bin Gast des Auswärtigen Amtes als DAAD Stipensdiat. Man zeigt uns, einigen hundert Studenten aus allen Ländern, was Deutschland ist. Heute ist Norddeutschland dran. Wir sollen in einem der größten Lokale der Hansestadt dinieren.

Es geht richtig feierlich zu. Die Ober sind fein gekleidet. Wir Studenten wollen alles über uns ergehen lassen, feinste Manieren allerseits. Mein feinstes Event bis dato …

Das Essen ist wahrlich gut, das Ambiente fein. Nur fällt unserem Ober auf, dass ich keinen Reis esse. Er fragt mich, ob ich keinen Reis mag. Ich zeige auf die Platte mit Reis und sage „Gucken Sie, das ist Bruchreis. Ich esse keinen Bruchreis.“

Da wird der feingekleidete Ober ausfallend: „Das ist gut genug für euch!“

Ich hatte genug. Für Jahre!

Hamburg, 20 Jahre danach. Nach einer Sitzung verabrede ich mich mit neun Kollegen zum Fischessen. Das Lokal scheint einen besonders guten Ruf zu haben.

Pünktlich um 20 Uhr komme ich in dem Restaurant an. Etwa die Hälfte der 24 Plätze ist für uns reserviert. Was fehlt sind meine Kollegen. Die werden schon kommen.

Ich bestelle mir einen Wein und süffele langsam daran. Keiner der Kollegen erscheint. Nach einer Weile kommt die Bedienung an meinen Tisch und sagt „Herr Doktor, soeben haben Ihre Kollegen angerufen. Es tut denen leid, sie haben sich bei der Reservierung geirrt. Jetzt sind die in dem richtigen Lokal.  Ich habe Ihnen ein Taxi bestellt.“

Ich ahne Fürchterliches. Was macht man mit Leuten, die aus Dummheit fast die Hälfte des Umsatzes eines Abends in den Sand setzen? Ausbaden muss ich wohl das Ganze. Ich hoffe, mit einem großzügigen Trinkgeld davonzukommen.  Ob das klappt?

Doch der Geschäftsführer lehnt die Bezahlung des Weins ab, reicht mir die Hand zum Abschied. Er sagt, er hoffe, dass die Unannehmlichkeiten mich nicht davon abhalten werden, wieder zu kommen. Und für heute sind Sie unser Gast.

Mir bleibt die Spucke weg.

Segler und Segler – Was macht den Unterschied?

Costa Brava! In einem wilden Dorf von Club Mediterranee segeln wir Regatta zu einer Tonne, die einige Meilen vor der Küste schwimmt. Mein Vorschoter ist einer der Segellehrer. Der Segelobmann des Dorfes segelt auch mit.

Ich erwische eine mächtige Böe und segle alles in Grund und Boden. Als wir die Tonne umrunden, merken wir, dass die anderen umgedreht haben müssen.

Im Hafen erzählt mir der Segelobmann, dass ich nicht mehr segeln darf. Ich hätte seinen Befehl ignoriert umzudrehen, ergangen weil ein Sturm in Anmarsch war. Es war aber kein Sturm sichtbar. Zudem hätten wir ihn nicht hören können, weil wir fast eine Meile voraus waren. Der Sturm kommt übrigens auch am nächsten Tag nicht. Es sind Schäfchenwolken am Himmel.

Meinen Einwand, dass mein Vorschoter einer seiner Leute ist und ebenso wenig gehört hat wie ich, lässt der Mann nicht gelten. Ich werde beim Geschäftsführer des Dorfes vorstellig. Der macht eine lässige Handbewegung i.S. Lass doch den Arsch

Ich darf weiterhin segeln. Aber als eines Tages wirklich ein Sturm uns unerwartet kalt erwischt, rettet mich keiner. Ich muss zusehen, wie ich mit meinem unerfahrenen neuen Vorschoter in den Hafen komme. Die anderen werden abgeschleppt.

Eine wunderbare Lagune auf einer Malediveninsel. Es segeln sieben Crews auf Katamaranen und ich allein, weil mir mein Mitsegler ausgefallen ist.

Macht nix. Das Wetter ist wunderbar. Außerdem habe ich nichts zu verlieren. Vier der Crews bestehen aus erfahrenen Regattaseglern, eine davon hat sogar mal eine Deutsche Meisterschaft gewonnen. Dass da ein Amateur als Letzter ankommt? Egal, es ist Sport.

Die Fahrt verläuft unerwartet. Ich komme als Zweiter an der Wendeboje an. Vor mir segeln nur die beiden, die die DM gewonnen hatten. Auf dem halben Weg zum Ziel geschieht auch noch ein Wunder. Alle hängen in der Flaute, mich hingegen treibt ein einsamer Windstrahl düsend nach vorn. Die beiden Profis gucken nur staunend zu, wie ich an ihnen vorbei ziehe.

Zurück an der Bar wird gefeiert. Einer meiner Kontrahenten bringt mir mein Bier. Kein Wort darüber, dass ich Schwein hoch drei gehabt habe.

Sport eben ...

Was bedeutet einem das Leben des anderen?

Andere Zeiten, andere Jobs. Als Student fahre ich in Berlin Bier für eine Traditionsbrauerei aus, die die nostalgischen Zeiten wieder aufleben lässt. Wir fahren die Fässer mit einer Pferdekutsche zu den Kneipen. Sieht echt gut aus. Manchmal steht man sogar mit in der Zeitung, neben den Pferden. Das lockt leider auch zwielichtige Geister an.

Da wir als Studenten die Arbeit nicht erfunden haben, rationalisieren wir die Sache. Die von uns gefundene Methode würde der Arbeitsschutz garantiert nie zulassen. Statt die Fässer in den Keller zu tragen, bauen wir eine Rutsche und lassen das Fass einfach hinuntergleiten. Man muss nur zusehen, dass es unten rechtzeitig aufgefangen wird.

Eines Tages, als die Arbeit fast erledigt ist, halten wir inne und machen Pause. Ich lehne mich an die Rutsche mit dem Rücken zum Kellerfenster. Auf einmal hechtet mein Gegenüber auf mich zu und stürzt mich zu Boden. Beim Hinfallen sehe ich oben am Fenster das hässliche Grinsen des Kerls, der das Fass mit voller Absicht hat fallen lassen. Es sollte mich in den Rücken treffen.

Eine Weide in weiter Landschaft. Richtig malerisch mit einem Zaun drumherum und einer Kuh, die etwa in der Mitte liegt und gemütlich kaut. Ein ländliches Stillleben!

Wir sind zu dritt auf dem Fahrrad unterwegs. Wir lehnen uns an den Zaun und machen eine Kurze Pause. Da entdeckt einer von uns eine bessere Straße auf der anderen Seite der Weide. Da wir einfach zu faul sind, die Weide zu umrunden, beschließen wir, die Fahrräder über den Zaun zu heben und über die Weide zu schieben.

Als der erste die Kuh passiert, steht das Tier plötzlich auf und rennt auf ihn zu. Kurz bevor er diesen erreicht, wird es von dem Strick abgebremst, der an dem Pfahl befestigt ist, den wir übersehen hatten. Wir hatten auch übersehen, dass es keine Kuh ist, sondern ein Stier.

Das Vieh rennt im Kreis und der Strick erwischt mein Fahrrad. Ich liege auf dem Boden und warte sekündlich, von dem Stier aufgespießt zu werden. Da marschiert unser dritter Freund lässig auf das Tier zu. Wie durch ein Wunder stoppt das Tier, und ich bin gerettet.

Mein Freund wusste, dass die wilden Stiere in der Arena oder beim Rodeo nur künstlich aufgestachelt werden. Unser Stier war nur aufgeschreckt worden.

Was für ein Kollege

Mich erwischt es übel. Ich hatte in meinem Zimmer an der Uni ein Experiment vorbereitet. Dazu musste der Raum klimatisiert werden, weil die Temperatur bei dem Versuch eine große Rolle spielte. So habe ich ein mobiles Klimagerät installiert. Damit die Bude schnell auf die richtige Temperatur kam, habe ich das Fenster noch geöffnet, bevor ich zum Essen nach Hause fuhr.

Nach einer halben Stunde schlägt ein Gewitter ein. Da ich nicht so schnell in die Uni fahren kann, rufe ich einen Kollegen an, damit er das Fenster schließt. Zu spät, die Bude steht halb unter Wasser. Der Kollege wischt das Wasser mit einem Putztuch ab, das er neben dem Klimagerät deponiert. Er ruft mich an, damit ich den Rest erledige.

Am nächsten Morgen steht die Feuerwehr eine Etage tiefer. Die gesamte Decke eines Labors hat sich über Nacht voll Wasser gesaugt und ist gegen Morgen auf die Geräte gestürzt. Sie sucht die Quelle. In meinem Zimmer findet sie den Fehler. Der Schlauch von dem Klimagerät ist undicht und hat über Nacht die darunter liegende Decke voll Wasser gepumpt.

Ein morgens anwesender Kollege zeigt den Feuerwehrleuten das Tuch und erzählt, ich wäre sowieso so ein komischer Ingenieur und hätte versucht, mit dem Lappen das Leck an dem Schlauch abzudichten.

Die Feuerwehrleute schmeißen ihn raus.

Einem Kollegen geht es richtig übel. Unser aller Doktorvater will in seiner eingereichten Dissertation einen tödlichen Fehler entdeckt zu haben. Die wichtigste Erkenntnis steht fast komplett in einer Diplomarbeit, die er betreut hat. Plagiat! Dafür gibt es keinen Pardon.

Ich erkläre dem Chef, dass die Sache mit dem Plagiat nicht stimmen könne. Denn diese Erkenntnis ist in einem Versuch entstanden, den der Kollege mir und einem anderen vorgeführt hatte. Da war von dem Diplomanden noch keine Rede gewesen. Wie dieser zu der Erkenntnis gelangt sei, die jetzt Schwarz auf Weiß in seiner Diplomarbeit steht?

Einfach zu erklären: Ein Doktorand erläutert seinen Diplomanden seinen Erkenntnisstand, damit diese die Sache weiterführen können. Der betreffende Student hatte aber nichts Bedeutendes mehr hinzugewinnen können. So hat er weitgehend das geschrieben, was der Kollege ihm in unserem Beisein berichtet hatte.

Doch der Student will das nicht zugeben. Denn er hatte unterschrieben, dass er die Diplomarbeit selbständig erarbeitet hätte. Sonst bekommt man kein Diplom. Der Chef bittet mich, außen vor zu bleiben, weil der andere Kollege B bestimmt einen Weg finden würde, um dem Doktoranden zu schaden. Dieser hatte ihn nämlich einst übel in die Pfanne gehauen.

Doch der Kollege B will Gerechtigkeit und willigt sofort ein, für den gemeinen Typen auszusagen. Allerdings stellt der Doktorvater die Bedingung, dass der Doktorand den Kollegen selbst als Zeugen benennt. Dieser wittert Lunte und arbeitet lieber ein Jahr länger an seiner Diss.

Kollege B hatte nunmehr ein gutes Verhältnis mit dem Chef bis zu dessen Tode.