Der Gast ist König

Hamburg, Frühjahr 1964. Ich bin Gast des Auswärtigen Amtes als DAAD Stipensdiat. Man zeigt uns, einigen hundert Studenten aus allen Ländern, was Deutschland ist. Heute ist Norddeutschland dran. Wir sollen in einem der größten Lokale der Hansestadt dinieren.

Es geht richtig feierlich zu. Die Ober sind fein gekleidet. Wir Studenten wollen alles über uns ergehen lassen, feinste Manieren allerseits. Mein feinstes Event bis dato …

Das Essen ist wahrlich gut, das Ambiente fein. Nur fällt unserem Ober auf, dass ich keinen Reis esse. Er fragt mich, ob ich keinen Reis mag. Ich zeige auf die Platte mit Reis und sage „Gucken Sie, das ist Bruchreis. Ich esse keinen Bruchreis.“

Da wird der feingekleidete Ober ausfallend: „Das ist gut genug für euch!“

Ich hatte genug. Für Jahre!

Hamburg, 20 Jahre danach. Nach einer Sitzung verabrede ich mich mit neun Kollegen zum Fischessen. Das Lokal scheint einen besonders guten Ruf zu haben.

Pünktlich um 20 Uhr komme ich in dem Restaurant an. Etwa die Hälfte der 24 Plätze ist für uns reserviert. Was fehlt sind meine Kollegen. Die werden schon kommen.

Ich bestelle mir einen Wein und süffele langsam daran. Keiner der Kollegen erscheint. Nach einer Weile kommt die Bedienung an meinen Tisch und sagt „Herr Doktor, soeben haben Ihre Kollegen angerufen. Es tut denen leid, sie haben sich bei der Reservierung geirrt. Jetzt sind die in dem richtigen Lokal.  Ich habe Ihnen ein Taxi bestellt.“

Ich ahne Fürchterliches. Was macht man mit Leuten, die aus Dummheit fast die Hälfte des Umsatzes eines Abends in den Sand setzen? Ausbaden muss ich wohl das Ganze. Ich hoffe, mit einem großzügigen Trinkgeld davonzukommen.  Ob das klappt?

Doch der Geschäftsführer lehnt die Bezahlung des Weins ab, reicht mir die Hand zum Abschied. Er sagt, er hoffe, dass die Unannehmlichkeiten mich nicht davon abhalten werden, wieder zu kommen. Und für heute sind Sie unser Gast.

Mir bleibt die Spucke weg.

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